Der Botanische Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz stellt mit einer speziellen Themenwoche zu Nachwachsenden Rohstoffen den diesjährigen Schwerpunkt seines Jahresprogramms und der Bildungsangebote der Grünen Schule vor. Vom 10. bis 15. Juni finden zahlreiche Sonderführungen zu Nachwachsenden Rohstoffen statt. Zum Auftakt wird das neugestaltete Gewächshaus für Tropische Nutzpflanzen eröffnet, das als erster Gartenbereich über Pflanzenschilder mit QR-Codes verfügt. Besucher können nun Steckbriefe der Nutzpflanzen auf dem Smartphone lesen.
(Mainz, 10. Juni 2012) Die verstärkte Nutzung Nachwachsender Rohstoffe ist ein wichtiger Bestandteil der geplanten Energiewende. Sie sollen dazu beitragen, den Verbrauch fossiler Energieträger zu vermindern und damit den klimaschädlichen C02-Ausstoß zu reduzieren. Und tatsächlich sind die Einsatzmöglichkeiten pflanzlicher Rohstoffe sehr vielfältig. Sie können als Industriepflanzen stofflich genutzt werden oder als Energiepflanzen zur Erzeugung von Wärme, Strom oder Kraftstoffen. Für Biokraftstoffe werden bisher allerdings fast ausschließlich Nahrungspflanzen verwendet, und die verfügbaren Anbauflächen sind begrenzt. Das birgt ein hohes Konfliktpotenzial und zeigt, dass durch die Nutzung Nachwachsender Rohstoffe auch neue soziale und ökologische Probleme entstehen können. Um sich in diesem unübersichtlichen Terrain eine eigene Meinung bilden zu können, muss man die Pflanzen und ihre Anbaubedingungen kennen. Diese Möglichkeit bietet nun der Botanische Garten mit seinem Themenschwerpunkt Nachwachsende Rohstoffe.
„Aufgabe Botanischer Gärten ist es, zur Erforschung und Erhaltung der pflanzlichen Vielfalt der Erde beizutragen“, erläutert der Leiter des universitären Gartens und des Instituts für Spezielle Botanik, Univ.-Prof. Joachim W. Kadereit Ph.D. „Der Garten soll mit seinen fast 9.000 Pflanzenarten ein möglichst breites Spektrum aller Verwandtschaftsgruppen des Pflanzenreiches abbilden. Dazu gehören natürlich auch die Nutzpflanzen“. Und die Vielfalt der Nutzpflanzen, gerade in tropischen Regionen, ist selbst für den Botaniker kaum überschaubar. „Exakte Zahlen, wie viele Pflanzenarten durch den Menschen genutzt werden, gibt es nicht. Allein die Zahl der Kulturpflanzen, also derjenigen Pflanzen, die vom Menschen angebaut werden, wird mit knapp 5.000 Arten angegeben. In großem Umfang werden davon allerdings nur etwa 160 Pflanzenarten angepflanzt", erklärt Prof. Kadereit, "die wichtigsten davon, etwa Mais oder Reis, gibt es dann aber in unzähligen verschiedenen Sorten und Züchtungen."
Mit dem Schwerpunkt Nachwachsende Rohstoffe stehen aber nicht allgemein die Nutzpflanzen im Fokus, sondern pflanzliche Produkte, die industriell oder energetisch, nicht aber als Nahrungs- oder Futtermittel verwendet werden. Dass es sich dabei zum großen Teil dennoch um Nahrungspflanzen handelt, zeigt, wie problematisch der Ausbau der Nutzung Nachwachsender Rohstoffe sein kann. Der Anbau wichtiger Grundnahrungsmittel kann dadurch beeinträchtigt werden oder der zunehmende Flächenverbrauch den Verlust der biologischen Vielfalt weiter beschleunigen. Hier greifen ökologische, soziale und ökonomische Aspekte auf lokaler und globaler Ebene ineinander. „Nachwachsende Rohstoffe sind daher ein Thema für das Globale Lernen und Teil einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE)“, betont Dr. Ute Becker, die Leiterin der Grünen Schule im Botanischen Garten. „Wir wollen mit unseren Kursangeboten gerade jungen Menschen die Kompetenzen vermitteln, sich eine fundierte Meinung zu diesem wichtigen Thema bilden zu können.“ Für Schülerinnen und Schüler ab der Klassenstufe 9 bietet die Grüne Schule mit dem Modul „Nachwachsende Rohstoffe – Chance oder Risiko“, das im Rahmen einer Staatsexamensarbeit entstanden ist, hierzu die Möglichkeit. Es werden globale Aspekte der Nutzung von Energiepflanzen erarbeitet, um abschließend eine eigene Position und Handlungsalternativen entwickeln zu können.
Für Führungen und Bildungsangebote zu Nachwachsenden Rohstoffen kann seit zwei Jahren ein eigener Themengarten im Freilandbereich des Botanischen Gartens genutzt werden. Dort wird eine Auswahl der in Mitteleuropa angebauten Industrie- und Energiepflanzen gezeigt. Für die global viel bedeutenderen tropischen Nutzpflanzen war bisher ein Rundgang durch mehrere Gewächshäuser nötig, und viele wichtige Pflanzen konnten auch nur im Sommerhalbjahr gezeigt werden. „Um die Situation für die Angebote der Grünen Schule verbessern und die Sammlung der tropischen Nutzpflanzen den Besuchern attraktiver präsentieren zu können, hatten wir uns im vergangenen Jahr entschieden, unser modernstes Tropengewächshaus umzugestalten und völlig neu zu bepflanzen“, berichtet der Kustos des Botanischen Gartens, Dr. Ralf Omlor. „Wir freuen uns, dieses Nutzpflanzengewächshaus, in dessen Mitte nun eine Ölpalme wächst, heute öffentlich vorstellen zu können.“ Dieses Gewächshaus ist der erste Bereich des Botanischen Gartens, in dem neue Pflanzenetiketten mit einem zusätzlichen QR-Code verwendet werden. Besucher, die ein Smartphone besitzen, können diesen Code einscannen und den Steckbrief der entsprechenden Nutzpflanze von den Internetseiten des Botanischen Gartens abrufen.
Die Themenwoche Nachwachsende Rohstoffe – Pflanzen, Produkte, Perspektiven ist eine gemeinsame Aktion zahlreicher Botanischer Gärten in Deutschland. Der Verband Botanischer Gärten hat hierzu eine Ausstellung erstellt, die in Auszügen vom 10. Juni bis Ende September auch im Botanischen Garten der Johannes Gutenberg- Universität zu sehen ist. „Dass wir einen Teil der Ausstellung zeigen können und das QR-Projekt umsetzen konnten, verdanken wir der finanziellen Unterstützung des Freundeskreises des Botanischen Gartens, dem wir herzlich für sein Engagement danken“, betont Dr. Omlor zum Abschluss.
Die Themenwoche in der Übersicht
Sonntag, 10. Juni, 11.00 bis 14.00 Uhr: Start der Themenwoche und Eröffnung des Gewächshauses für Tropische Nutzpflanzen mit Führungen, Pflanzenporträts und Infos
Musikalische Umrahmung: Jens Mackenthun (Gitarre), Mathias Demmer (Saxophon) und Florian Werther (Kontrabass)
Montag, 11. Juni, 12.00 und 17.00 Uhr, Führung Nachwachsende Rohstoffe
Dienstag, 12. Juni, 12.00 und 17.00 Uhr, Führung Nachwachsende Rohstoffe
Mittwoch, 13. Juni, 12.00 und 17.00 Uhr, Führung Nachwachsende Rohstoffe
Donnerstag, 14. Juni, 12.00 und 17.00 Uhr, Führung Nachwachsende Rohstoffe
Freitag, 15. Juni, 12.00 Uhr, Führung Nachwachsende Rohstoffe
Beginn jeweils am „Treffpunkt für Führungen“, Anselm-Franz-von-Bentzel-Weg 9 b, Universitätscampus, 55128 Mainz.
Kontakt und weitere Informationen
Dr. Ute Becker, Grüne Schule im Botanischen Garten
Tel. 06131 39-25686, E-Mail: beckeru@uni-mianz.de
Dr. Ralf Omlor, Botanischer Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06131 39-22628, E-Mail: omlor@uni-mainz.de