Bergahorn

Bergahorn-Tonholz für den Geigenbau mit
aufgezeichneten Umrissen einer Geige;
2005 in Bosnien gefällt; das Holz hat einen
seidig schimmernden Glanz und zeigt im
Tangentialschnitt einen unregelmäßig
gewellten Jahresringverlauf aber keine
deutliche Riegelmaserung.

Acer pseudoplatanus L.

Was wäre unser Leben ohne den Wald? Dieser Frage kann man derzeit auf großen Plakaten, in Zeitungsanzeigen und in einem Kinospot begegnen. Sie steht im Mittelpunkt der bundesweiten Kampagne zum „Internationalen Jahr der Wälder 2011“. Als Denkanstöße gibt es einige Slogans zur Antwort, etwa „Ohne ihn wäre Beethoven unerhört“ mit der kleingedruckten Ergänzung „Geige, Flöte, Kontrabass: Ohne den Wald gäbe es sie nicht.“ Schon klar, viele Musikinstrumente sind aus Holz, aber muss das so sein und aus welchem Holz eigentlich? Die Antwort auf diese Fragen ist sehr komplex: Alle Saiteninstrumente, zu denen neben Streich- und Zupfinstrumenten auch das Klavier gehören, benötigen einen Resonanzkörper oder Resonanzboden, der die Schwingungen der Saiten aufnehmen und verstärken kann. Für den Resonanzkörper kommen viele Materialien in Betracht, von der getrockneten Kalebasse bis hin zu Glas und Metall. Aber am besten geeignet sind bestimmte Holzarten, die sich leicht bearbeiten lassen und aufgrund ihrer anatomischen Struktur günstige akustische Eigenschaften besitzen. Erstaunlicherweise werden aber nur sehr wenige Baumarten als Tonhölzer verwendet. Für die Resonanzkörper der Streichinstrumente werden von der Geige bis zum Kontrabass überwiegend nur zwei Arten genutzt: Fichte für die Oberseite – die sogenannte Decke – und Bergahorn für den Boden und die Seitenteile der Instrumente. Den Bergahorn und sein Holz wollen wir hier etwas genauer vorstellen.

Der Bergahorn (Acer pseudoplatanus) zählt zu den sogenannten Edellaubhölzern Mitteleuropas. Das sind Laubbäume mit meist hohen Nährstoffansprüchen, die sehr viel seltener als Buchen und Eichen vorkommen. Nur an Sonderstandorten sind sie der Konkurrenz dieser beiden Arten gewachsen. Der Bergahorn hat zwar ein großes Verbreitungsgebiet, das von den Pyrenäen bis in den Kaukasus reicht, seinen Verbreitungsschwerpunkt hat er aber in den nördlichen Voralpen und in den hochmontanen bis subalpinen Gebirgswäldern. Im Tiefland kommt er vor allem in steinigen Hang- und Schluchtwäldern vor. Er wird aber auch häufig als Allee- oder Parkbaum gepflanzt und kann sich bei guter Nährstoff- und Wasserversorgung stark ausbreiten. In Großbritannien, wo er von Natur aus nicht vorkommt, gilt er sogar als invasiv. Am eindrucksvollsten ist der Bergahorn im Gebirge, wo er zusammen mit der Buche die Waldgrenze bilden kann. Diese natürlichen Bergahorn-Buchenwälder sind aber sehr selten geworden. Recht häufig kann man den Bergahorn dagegen noch auf Almen finden. Hier wurde er gezielt gepflanzt oder erhalten, da sein Laub als Notfutter für das Vieh genutzt werden kann.

Das Holz des Bergahorns hat eine helle, derzeit sehr moderne Farbe. Es ist hart und lässt sich gut bearbeiten, ist aber nicht sehr witterungsbeständig und wird daher in erster Linie zur Möbelherstellung und im Innenausbau verwendet. Der klassische Wirtshaustisch hat eine Tischplatte aus Bergahorn, da sich das Holz gut nachschleifen und polieren lässt. Aber was macht dieses Holz so wertvoll für den Instrumentenbau? Für eine Geige zählen doch wohl andere Kriterien als für einen Wirtshaustisch? Nicht unbedingt, offenbar waren die gute Bearbeitbarkeit und die hohe Ästhetik des Ahornholzes auch für die Verwendung im Instrumentenbau zunächst entscheidend. Dazu muss man wissen, dass für die Instrumente möglichst nur Ahornholz mit einer besonderen Maserung, der sogenannte Riegelahorn (englisch „flamed maple“), verwendet wird. Dieser zeichnet sich durch eine sehr seltene Holzanomalie aus, die nicht nur beim Bergahorn auftritt. Holz mit Riegeltextur ("wavy grain") hat im Tangentialschnitt eine tigerstreifenartige Maserung. Diese quergestreifte Maserung entsteht durch einen wellenförmigen Verlauf der Holzfasern. Holzfasern sind neben den Wasserleitungsgefäßen die wichtigsten und häufigsten Elemente im Holz. Es sind spindelförmige Zellen mit verdickten Wänden, die ausschließlich mechanische Funktion haben. Normalerweise verlaufen die Holzfasern ziemlich gerade parallel zur Längsrichtung des Stammes. Aber es gibt auch Abweichungen, die sich am häufigsten in Form des Drehwuchses äußern. Riegelahorn hat dagegen eine wellenförmig wechselnde Ausrichtung der Holzfasern. Dieser Wechsel im Verlauf der Holzfasern ruft am geschnittenen Holz eine unterschiedliche Lichtreflexion hervor, die als helle und dunklere Streifenmaserung sichtbar wird. Riegelahorn ist auch für Edelfurniere sehr gefragt und eine der teuersten heimischen Holzarten. Am häufigsten tritt diese Anomalie bei Bäumen im Gebirge auf. Die Ursache dafür ist nicht ganz klar, aber offenbar gibt es eine genetische Grundlage. Man untersucht inzwischen intensiv, ob sich die seltene Riegeltextur des Holzes durch Pfropfung oder Stecklingsvermehrung erhalten und gezielt forstwirtschaftlich nutzen lässt. Denn bisher ist eine nachhaltige Bewirtschaftung dieses seltenen Holzes kaum möglich.

Neben der besonderen Ästhetik besitzt Ahornholz sehr gute akustische Eigenschaften, die in der Anatomie des Holzes begründet sind und seine Verwendung als Resonanzholz verständlich machen. Der Bergahorn hat ein sehr regelmäßiges „zerstreutporiges“ Holz. Das bedeutet, dass die für die Wasserleitung zuständigen Gefäße relativ gleichmäßig im Holz verteilt sind und nicht auf das Frühjahrsholz, wie bei den „ringporigen“ Arten beschränkt sind. Zudem sind die Jahresringgrenzen nicht sehr ausgeprägt, es gibt also keinen großen Unterschied zwischen Früh- und Spätholz. Diese Homogenität wirkt sich günstig auf die Schallleitung aus. Für die Eignung als Resonanzholz sind zudem ein langsames Wachstum des Holzes mit gleichmäßigen relativ engen Jahresringen und eine sorgfältige mehrjährige Lufttrocknung des zugeschnittenen Holzes entscheidend. Physikalisch messbare Parameter sind in erster Linie eine hohe Elastizität, die bei Riegelahorn aufgrund des wellenförmigen Faserverlaufs erhöht ist, und die Geschwindigkeit der Schallleitung.

Am lebenden Baum kann man in der Regel kaum erkennen, ob es sich um einen gewöhnlichen Bergahorn oder um einen wertvollen Riegelahorn handelt. Man kann ein Stück Borke abschälen und versuchen, am angeschnittenen Holz Anomalien zu erkennen. Auch eine Ultraschallmessung zur Akustik des Stammes kann Indizien liefern. Letztlich erweist sich aber erst nach der Fällung, ob aus dem Holz ein Meisterinstrument oder ein schnöder Wirtshaustisch werden kann. Das gilt auch für den Bergahorn im Botanischen Garten. Ob der inzwischen etwa 60 Jahre alte Baum dazu beitragen kann, dass Beethoven weiterhin „erhört“ wird, bleibt aber hoffentlich noch lange abzuwarten.

Systematik: Seifenbaumgewächse (Sapindaceae)
Heimat: Europa, Westasien
Standort im Botanischen Garten: Arboretum (Feld 1) und beim Garteneingang „Grüne Schule“

 

Literatur
Bucur, V. (2006). Acoustics of Wood, 2nd ed. Springer, Berlin Heidelberg.
Ewald, D. & G. Naujoks (2005). Untersuchungen zur vegetativen Vermehrung von Riegelahorn. BFH-Nachrichten 3/2005: 3-4. http://www.bfafh.de/iud/projekte/3-2005/2-1.pdf.
Harris, J.M. (1989). Spiral Grain and Wave Phenomena in Wood Formation. Springer, Berlin Heidelberg.
Schmidt, O. & A. Roloff (2009). Acer pseudoplatanus L. Enzyklopädie der Holzgewächse, 51. Erg.Lfg. 2/09: 1-26.
Schoch, W., I. Heller, F.H. Schweingruber & F. Kienast (2004). Wood anatomy of central European Species. Online version: http://www.woodanatomy.ch
Spycher, M., F.W.M.R. Schwarze & R. Steiger (2008). Assessment of resonance wood quality by comparing ist physical and histological properties. Wood Sci Technol 42: 325-342.

Text und Fotos: Dr. Ralf Omlor | 27.04.2011 -