Im März 1964 übernahm Dr. Ulrich Hecker als Kustos die wissenschaftliche Betreuung des Botanischen Gartens der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Kurz zuvor hatte er seine Dissertation über mitteleuropäische Bernsteinschnecken im Zoologischen Institut der Universität Mainz abgeschlossen. Trotz dieser zoologischen Vorbelastung war Ulrich Hecker eine ideale Besetzung für die noch relativ neue Kustodenstelle am Botanischen Garten. Denn Hecker hatte nicht nur sehr gute botanische Kenntnisse, er verfügte auch über eine gärtnerische Ausbildung, die er in Halle und Naumburg nach dem Abitur absolviert hatte. Und er kam aus einer Familie, die eine Gärtnerei betrieb.
Als Ulrich Hecker die Kustodenstelle antrat, war der Botanische Garten zwar nicht mehr in seiner Aufbauphase, die lag in den Jahren 1946 bis 1955, aber viele Pflanzungen waren doch noch relativ jung. Vor allem das Arboretum mit seinen vielen seltenen Baumarten erinnerte noch sehr an eine Baumschule. Auch die heute mächtigen Mammutbäume waren erst wenige Meter hoch. Da viele Bäume nun zum ersten Mal blühten und fruchteten, waren gerade in diesem Bereich des Botanischen Gartens viele Überprüfungen und Nachbestimmungen erforderlich, die Hecker gemeinsam mit Fred-Günter Schroeder (später Botanikprofessor in Göttingen) vornahm. Die hierbei erworbenen Formen- und Artenkenntnisse legten den Grundstein für das bis heute anhaltende große Interesse Ulrich Heckers an den in Mitteleuropa wildwachsenden und kultivierten Gehölzen. Zahlreiche Buchveröffentlichungen und Zeitschriftenbeiträge sind aus dieser Tätigkeit hervorgegangen und machen Ulrich Hecker zu einem der anerkanntesten Dendrologen Deutschlands. Von 1990 bis 1999 war er Präsident der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft, 2002 wurde Hecker sogar zum Ehrenpräsidenten dieser Gesellschaft ernannt.
Der Botanische Garten der Universität Mainz war von dem Pflanzenmorphologen Prof. Dr. Wilhelm Troll gegründet worden. Als Hecker seine Tätigkeit aufnahm, stand Troll kurz vor der Emeritierung. Für Troll war der Botanische Garten von zentraler Bedeutung für seine vergleichenden morphologischen Untersuchungen. Fast täglich nutze er Material aus dem Garten, der ganz nach den Bedürfnissen einer Lehr- und Forschungssammlung konzipiert war. Hecker gelang es in seiner Kustodenzeit, den wissenschaftlichen Charakter des Gartens zu bewahren und die Sammlungen beständig auszubauen. Dazu trugen auch die vielen Studien- und Sammlungsreisen bei, die Hecker beispielweise im Mittelmeergebiet, im südlichen Afrika, auf den Azoren und Kanarischen Inseln sowie in Jamaica unternahm.
Die wichtigste Veränderung im Botanischen Garten, die in starkem Maße auf Heckers Engagement zurückging, war die Erweiterung des Gartengeländes um eine Steppenanlage, in deren Mittelpunkt eine naturnahe Nachbildung der Mainzer Sandflora stand. Dieses Gelände, das sich im Bereich des heutigen Hans-Dieter-Hüsch-Weges befand, wurde 1986 eröffnet. Die viel beachtete Steppenanlage mit den seltenen Pflanzen des Naturschutzgebietes „Mainzer Sand“ setzte neue Standards in der Präsentation und Erhaltung bedrohter heimischer Pflanzenarten in Botanischen Gärten. Von Beginn an stand dieses Erweiterungsgelände aber unter einem Vorbehalt. Ein Teil des Geländes war für den Bau einer Straße vorgesehen, die den Verkehr auf dem Universitätscampus entlasten sollte. Als im Jahr 2000 deutlich wurde, dass die Straße in naher Zukunft gebaut würde, entschied sich die Gartenleitung, die Nachbildung des „Mainzer Sands“ ins Zentrum des Botanischen Gartens zu verlagern. Auch wenn das Erweiterungsgelände heute nicht mehr zum Botanischen Garten gehört, war seine Einrichtung von großer Bedeutung in der Entwicklung des Gartens. Die Erfahrungen, die mit der schwierigen Kultur der Steppenpflanzen gesammelt werden konnten, ermöglichten die Fortführung dieser wertvollen Erhaltungskulturen an neuer Stelle im Botanischen Garten.
Zu den bleibenden Verdiensten Ulrich Heckers zählen auch der Aufbau des Herbariums des Instituts für Spezielle Botanik und Botanischer Garten (MJG), das mittlerweile rund 40.000 Belege umfasst, und die Gründung des Freundeskreises des Botanischen Gartens der Johannes Gutenberg-Universität Mainz e.V. im Jahre 1998. Dieser Verein zur Unterstützung des Botanischen Gartens, der mit sieben Gründungsmitgliedern begann, hat sich inzwischen zu einer wichtigen Stütze für den Garten entwickelt.
Im August 1999, nach mehr als 35 Jahren Kustodentätigkeit, endete die Dienstzeit Ulrich Heckers im Botanischen Garten der Universität Mainz. Seine produktive Beschäftigung mit vielen Gehölzgattungen und Gartenpflanzen hält jedoch bis heute an. Wir wünschen Ulrich Hecker zu seinem 75. Geburtstag im August 2011 weiterhin gute Gesundheit und viel Freude bei seinen botanischen Arbeiten.
Text: Dr. Ralf Omlor | 23.08.2011