Großer Känguruapfel

Die reifen Früchte des Känguruapfels sind nicht mehr giftig.

Solanum laciniatum Aiton

Wichtige Nahrungspflanzen und gefährliche Giftpflanzen - in keiner anderen Pflanzengruppe liegen diese beiden Aspekte so dicht beieinander wie in der Gattung Solanum. Weltweit umfasst diese Gattung etwa 1.250 Arten. Zu ihr zählen die Kartoffel (Solanum tuberosum), eine der wichtigsten Nahrungspflanzen überhaupt, die Tomate (S. lycopersicum), die Aubergine (S. melongena) und viele weitere essbare Pflanzen, die aber nur von lokaler Bedeutung sind. In Mitteleuropa sind nur zwei Arten allgemein verbreitet, der Schwarze Nachtschatten (S. nigrum) und der Bittersüße Nachtschatten (S. dulcamara). Obwohl beide giftig sind, wurde der Schwarze Nachtschatten im 16. und 17. Jahrhundert lokal als Gemüse angebaut. Dagegen wurde der Bittersüße Nachtschatten in erster Linie als Heilpflanze, etwa gegen chronische Hauterkrankungen genutzt. In der modernen Medizin werden Solanum-Arten zwar kaum mehr direkt eingesetzt, aber sie liefern wichtige Ausgangsstoffe für die pharmazeutische Industrie. Eine der spannendsten Arten ist in dieser Hinsicht unserer aktuelle Pflanze des Monats, der Känguruapfel.

Der Große Känguruapfel (Solanum laciniatum) ist im Südosten Australiens, in Tasmanien und in Neuseeland heimisch. Seinen lustigen Namen hat er wohl aufgrund seiner Herkunft erhalten. Auch wenn die reifen Früchte offenbar nicht mehr giftig sind, werden sie wohl kaum von Kängurus gefressen. In seiner Heimat wird der Känguruapfel ein breit ausladender, bis 4 m hoher Strauch. Die Blätter sind tief dunkelgrün, und die Stängel meist violett. Bei uns ist die Pflanze nicht winterhart. Sie wird im Botanischen Garten der Universität Mainz einjährig im Freiland kultiviert und jedes Jahr neu aus Samen angezogen. Bis zur Blüte im Spätsommer erreichen die schnellwüchsigen Pflanzen eine Höhe von etwa 2 m, die Früchte reifen meist Ende September und färben sich dann orange. Mit seinen großen blauvioletten Blüten und den glänzend grünen Blättern kann der Känguruapfel halbwegs als Zierpflanze durchgehen.

Was den Känguruapfel so interessant macht sind aber in erster Linie seine Inhaltstoffe. Von allen untersuchten Solanum-Arten enthält der Känguruapfel die höchsten Mengen an Solasodin, einem pflanzlichen Steroidalkaloid, das als Ausgangsstoff für die industrielle Herstellung von Cortisonen und Steroidhormonen verwendet werden kann. Auch die in den Antibabypillen enthaltenen Sexualhormone werden aus solchen pflanzlichen Steroiden hergestellt. Der Bedarf ist daher enorm. Hauptausgangsstoff für diese Präparate ist zwar noch immer das Diosgenin aus den Knollen tropischer Yams-Arten (Dioscorea), aber Schwierigkeiten im Anbau und Engpässe bei der Versorgung führten schon in den 1970er Jahren zur Suche nach Alternativen. Seither wurden der Känguruapfel und weitere Solanum-Arten vor allem in der ehemaligen UdSSR, in Osteuropa, in Neuseeland und in Indien angebaut. Seit längerem wird auch versucht, die Inhaltstoffe aus Zellkulturen des Känguruapfels zu gewinnen. Damit wäre es möglich, Solasodin in großen Mengen in Bioreaktoren herzustellen. Erfolgversprechend scheinen hier sogenannte „Hairy Root Kulturen“ zu sein. Dabei handelt es sich um Zellkulturen, die mit einem Agrobakterium infiziert werden und dadurch nur noch feine Wurzelfäden bilden und unbegrenzt wachsen. Diese Kulturen bilden sehr viel größere Mengen sekundärer Inhaltstoffe als normale Zellkulturen. Auch wenn diese Produktionsweise mit den traditionellen Vorstellungen einer Nutzpflanze nicht mehr viel zu tun, wird doch deutlich, wie wichtig pflanzliche Produkte in unserem modernen Leben sind, und wie bedeutsam die biologische Vielfalt bei der Suche nach Wirkstoffen ist.

Systematik: Nachtschattengewächse (Solananceae)
Heimat: Australien, Neuseeland
Standort: Systematische Abteilung, Beet 32

Literatur
Eich, E. (2008). Solanaceae and Convolvulaceae: Secondary Metabolites. Springer, Berlin Heidelberg.
Purdie, R.W., D.E: Symon & L. Haegi (1982). Solanaceae. In: Flora of Australia, Volume 29. Canberra.

Text und Fotos: Dr. Ralf Omlor, 24.09.2010