Im Winter färben sich die Zweige des Rimu rötlich, im Frühjahr werden sie dann wieder grün.
Dacrydium cupressinum Sol. ex G.Forst.
Im „Internationalen Jahr der Wälder 2011“ wollen wir jeden Monat eine Pflanze aus den unterschiedlichen Waldgebieten der Erde mit einer spannenden oder originellen Geschichte vorstellen. Zum Auftakt haben wir eine der ältesten lebenden Baumarten der Erde ausgewählt: die Rimu-Harzeibe. Diese Baumart existiert, nach Pollenfunden zu urteilen, offenbar seit mehr als 65 Millionen Jahren auf der Erde. Heute kommt sie nur noch auf Neuseeland vor und ist dort eine der wichtigsten Baumarten. „Rimu“ ist die Bezeichnung der Maori für diesen eigenartigen Nadelbaum aus der Familie der Steineibengewächse (Podocarpaceae), dessen Zweige entfernt an Zypressen erinnern. Seinen wissenschaftlichen Namen – Dacrydium cupressinum – erhielt der Rimu von dem deutschen Naturforscher Georg Forster. Er hatte gemeinsam mit seinem Vater Johann Reinhold Forster an der zweiten Weltumseglung James Cooks teilgenommen und den Baum im März 1773 bei der Landung an der Südwestspitze Neuseelands kennen gelernt.
Die unzugänglichen Wälder an der Südwestküste Neuseelands gehören zu den ältesten und ursprünglichsten Waldgesellschaften der Erde. Es sind temperate Regenwälder, also sehr feuchte Wälder der gemäßigten Klimazone mit Niederschlagsmengen von bis zu 10.000 mm pro Jahr. Das ist mehr als das Fünfzehnfache unserer durchschnittlichen Regenmenge in Mainz. Durch die starken Niederschläge werden die Böden ausgewaschen und sind überwiegend sehr nährstoffarm. Das Wachstum der Bäume ist entsprechend langsam, was man an den nur etwa 1 mm starken Jahresringen der Rimu-Stämme im Süden Neuseelands ablesen kann. Trotz der Nährstoffarmut sind die Wälder artenreich und bilden mehrere Stockwerke. Die oberste Etage wird meist von einzelnen Rimu-Bäumen gebildet, die Höhen von mehr als 30 Meter erreichen können. Darunter bilden Südbuchen (Nothofagus-Arten), weitere Podocarpaceen wie die Kirscheibe (Prumnopitys ferruginea), Eisenholz-Arten (Metrosideros spp.) und breitblättrige Laubbäume wie der Kamahi (Weinmannia racemosa) ein geschlossenes Kronendach mit vielen Kletterpflanzen und Epiphyten. Es folgen Baumfarne und Sträucher und schließlich niedrige Farne und Moose am Boden.
Als James Cook am 28. März 1773 das regenreiche Fjordland im Südwesten Neuseelands ansteuerte, hatte er vier Monate vergeblich nach einem vermeintlich unentdeckten Südkontinent gesucht und war fast bis in die Antarktis vorgestoßen. Die Besatzung war am Ende ihrer Kräfte und hatte Anzeichen von Skorbut. Um die gefürchtete Seefahrerkrankheit zu behandeln, mussten so schnell wie möglich Vitamin C-reiche Pflanzen gefunden werden. Neben der Neuseelandmyrte (Leptospermum scoparium), die als Tee zubereitet wurde, erwies sich vor allem der Rimu als Rettung. Cook ließ aus den Zweigspitzen ein Bier brauen, das den Gesundheitszustand der Besatzung schnell verbesserte. Die Episode wird von Georg Forster in seinem berühmten Reisebericht amüsant geschildert:
„Man versuchte es auch die Blätter eines anderen Baumes, der in dieser Gegend sehr häufig wuchs, zur Infusion zu gebrauchen; allein, seine Ähnlichkeit mit dem Fichtengeschlecht und eines gewissen harzichten Geschmacks wegen, fanden wir bald, daß er sich zwar nicht zum Theee, hingegen zu jenem gesunden und angenehmen Getränk, das in Westindien unter dem Namen Spruce- oder Sprossen Bier bekannt ist, noch besser als der amerikanische Spruce-Baum (Spruce-tree) schicken würde. Wir brauten auch würklich, mit einem Zusatz von etwas Bier-Würz-Eßenz und Syrup, eine sehr gute Arth von Bier daraus, und machten dieses in der Folge durch eine Beymischung von Blüthen und Blättern des neuen Theebaums noch angenehmer und beßer. Der Geschmack war lieblich aber etwas bitter; und der einzige Fehler den wir daran finden konnten bestand darin, daß es früh, bey nüchternem Magen getrunken, zuweilen eine Übelkeit verursachte.“ [Georg Forster, Reise um die Welt, S.141]
Der Rimu wurde nach der europäischen Besiedlung Neuseelands zum wichtigsten Nutzholz und wurde in weiten Teilen der Insel abgeholzt. Erst seit den 1950er Jahren hat der Rückgang abgenommen. Seither wird vor allem die schnell wachsende, amerikanische Monterey-Kiefer (Pinus radiata) in Neuseeland forstwirtschaftlich genutzt. Die ursprünglichen Rimu-Wälder im Südwesten Neuseelands sind heute weitgehend geschützt oder werden nachhaltig bewirtschaftet. Das Rimu-Bier, das trotz der Rettung Cooks, kein Exportschlager wurde, kann somit weiterhin auf seinen Durchbruch hoffen.
Systematik: Steineibengewächse (Podocarpaceae)
Heimat: Neuseeland
Standort: Gewächshaus 2 (im Sommer als Kübelpflanze im Freien)
Literatur
Frey, W. & R. Lösch (1998). Lehrbuch der Geobotanik. Gustav Fischer – Stuttgart.
Steiner, G. (Hrsg.), (1983). Georg Forster – Reise um die Welt. Insel Taschenbuch.
Wardle, P. (2002). Vegetation of New Zealand. Blackburn Press.
Text und Pflanzenfotos: Dr. Ralf Omlor | 19.01.2011