Frau Mahlzahn ist eigentlich eine männliche Pflanze, aber was macht das schon. Sie ist schon sehr lange bei uns, seit 1951. Sie kam damals vermutlich ohne Blätter und Wuzeln in einer Kiste mit dem Schiff aus Südafrika. Ein paar Monate zuvor war sie den Mainzer Botanikern S. Vogel und K. Stopp – beide später große Koryphäen ihres Faches – in ihrer Heimat Limpopo begegnet. Die beiden haben sich in sie verliebt und haben sie überredet, mit nach Mainz zu kommen. Das mag wie ein Märchen klingen, ist aber eine wahre Geschichte. Okay, ob sie wirklich Frau Mahlzahn heißt, so wie der scheußliche Drache aus Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, wissen wir nicht. Wundern würde es uns nicht.
Denn unsere Frau Mahlzahn sieht mit ihrem schuppigen Stamm tatsächlich aus wie ein alter Drache. Sie gehört auch zu einer sehr altertümlichen Pflanzengruppe, den Palmfarnen oder Cycadeen. Im Erdmittelalter, das vor etwa 250 Mio. Jahren begann und vor 66 Mio. Jahren endete, erreichten diese ihre größte Vielfalt und Verbreitung. Sie waren Zeitgenossen der Dinosaurier, die, sofern sie Pflanzenfresser waren, sich zu einem großen Teil von Palmfarnen ernährt haben. Aus dieser Zeit stammen wohl die starken Gifte in den Stämmen der Palmfarne. Heute leben noch etwa 285 Arten dieser Pflanzengruppe zumeist in kleinen Beständen an Reliktstandorten in den Tropen und Subtropen. Einige sind vom Aussterben bedroht.
Nicht aber die Art, zu der Frau Mahlzahn gehört: Encephalartos transvenosus ist ein großer baumförmiger Palmfarn, dessen Stamm mehr als 10 m hoch werden kann. In Limpopo (früher Transvaal), der nördlichen Provinz Südafrikas, kommt er vor allem in der Region um Modjadji in der Blouberg-Gebirgskette vor. Modjadji ist auch der Titel der dortigen Regenköniginnen, deren Sonderrechte in der Verfassung Südafrikas garantiert sind. Die enge Verbindung der Modjadji mit dem großen Palmfarn sorgte für die Bewahrung der urtümlichen Baumart.
Im Mainzer Botanischen Garten verbrachte Frau Mahlzahn die ersten 50 Jahre als Topfpflanze in einem der wärmeren Gewächshäuser. Im Jahr 2001 wurde sie dann in einem großen Beet dieses Gewächshauses ausgepflanzt. Dort begann sie zunächst gut zu wachsen, aber seit etwa 10 Jahren bildet sie merkwürdige dicke Knospen an ihrem Stamm und wächst nicht mehr so gleichmäßig. Vielleicht gehört sich das ja so für einen alten Drachen, der lange in Gefangenschaft gehalten wird. Wahrscheinlich ist es aber eine Wachstumsstörung, denn in der Natur bilden diese Pflanzen hohe, unverzweigte Stämme.
Nun ist Frau Mahlzahn in das neue Gewächshaus für die Pflanzen der Trockengebiete Afrikas und Madagaskars umgezogen. Das war nicht ganz einfach. Lukas und Jim Knopf - viele werden sich daran erinnern – zogen den Drachen Frau Mahlzahn an einer langen Kette mit der Lokomotive Emma nach Ping. Wir manövrierten unseren Encephalartos nun gut gepolstert, auf Paletten geschnallt mit einem dicken Stahlseil und einer Winde aus seinem alten Gewächshaus. Der größte Teil der Blätter musste dafür entfernt werden. Nun hoffen wir, dass Frau Mahlzahn sich im neuen Gewächshaus wohl fühlen wird. Besuchen kann man sie ab dem 13. April. Gefährlich ist sie nicht. Ob sie sich nun in einen Goldenen Palmfarn der Weisheit verwandeln wird, bleibt abzuwarten.
Encephalartos transvenosus im Garden Explorer
Text und Fotos: Ralf Omlor | 07.02.2025