Nein, es geht nicht um eine Alternative zur Nordmanntanne. Auch nicht um experimentelle Glühweinrezepte für die stillen Tage, das könnte in diesem Fall leicht mit Kopfschmerzen enden. Nein, wir empfehlen - ganz schlicht - einen Weihnachtspaziergang zum Kalifornischen Berglorbeer (Umbellularia californica). Denn dieser immergrüne Baum mit dem herben Lorbeer- und Kampferduft kommt ganz neu zur Geltung, seit die alte Thuja-Hecke im Eingangsbereich des Botanischen Gartens entfernt ist.
Einen Kalifornischen Berglorbeer kann man in Deutschland nur in den mildesten Regionen im Freien pflanzen. Doch selbst dann benötigt er in den ersten Jahren einen ordentlichen Winterschutz, und man muss hoffen, dass die ersten Winter nicht allzu streng werden. Wo die Temperaturen im Winter regelmäßig unter -12 °C fallen, braucht man es eigentlich gar nicht probieren. Lange hielt man es in Mitteleuropa daher für nahezu aussichtslos. Und so wurden die ersten erfolgreichen Versuche mit dem Kalifornischen Berglorbeer in Deutschland dann auch erst in den späten 1970er Jahren gemacht. Ältere Exemplare gibt es offenbar nicht.
Der erste Berglorbeer im Botanischen Garten der Universität Mainz wurde 1979 gepflanzt. Aber im Winter 1981/82 sind seine immergrünen Blätter bei -15°C sämtlich erfroren. Er musste zurückgeschnitten werden, erholte sich halbwegs, um dann im Winter 1984/85 bei -18°C vollständig zu erfrieren. Auch das Gärtnern kann eine herzlose Angelegenheit sein. Aber was soll’s, schließlich gab es noch ein zweites Exemplar, das man sicherheitshalber im Gewächshaus überwintert hatte. Beide Exemplare waren 1977 aus Stecklingen von einem Berglorbeer im nahen Geisenheim gezogen worden. Im Frühjahr 1985 wurde also der zweite Berglorbeer gepflanzt, diesmal hinter der schützenden Thuja-Hecke. Und dieser zweite Versuch war erfolgreich, auch wenn es im Winter 1997/98 erneut zu starken Frostschäden gekommen ist. Aber da war der Baum schon groß genug, um das zu überstehen. Seither hat er keine starken Frostschäden mehr davongetragen. Er ist inzwischen etwa 12 m hoch und ebenso breit.
Die Heimat des Berglorbeers liegt an der Westküste Nordamerikas und reicht vom Süden Oregons durch Kalifornien bis knapp nach Mexiko. Die größten Exemplare findet man offenbar in Oregon, wo der Baum über 40 m hoch werden kann und dabei oft schon von Grund an verzweigt ist. In den trockeneren Gebieten weiter südlich, insbesondere in der Hartlaubzone (Chaparral) Kaliforniens, bleibt er zum Teil deutlich kleiner, an sehr windexponierten Kuppen nahe der Pazifikküste ist er oft nur noch ein niedriger Strauch. Der Berglorbeer kann recht unterschiedliche Standorte besiedeln. Man findet ihn in regenreichen, hohen Wäldern der Douglasien (Pseudotsuga menziesii) oder Küstenmammutbäume (Sequoia sempervirens), mit immergrünen Eichen (z.B. Quercus agrifolia) oder Oregon-Ahorn (Acer macrophyllum), der Kalifornischen Rosskastanie (Aesculus californica) und auch in den Wäldern der Westlichen Gelb-Kiefer (Pinus ponderosa) am Fuße der Sierra Nevada. Alle diese Baumarten gibt es auch im Mainzer Botanischen Garten. Sie können sie leicht mit dem Gardenexplorer finden und in Ihren California-Rundgang einbinden.
Wie unser Europäischer Lorbeer (Laurus nobilis) gehört der Kalifornische Berglorbeer zur Pflanzenfamilie der Lorbeergewächse (Lauraceae). Deren Verbreitungsschwerpunkt liegt in den tropischen Tieflandregenwäldern Südostasien und Südamerikas sowie in den tropischen Bergwäldern Südamerikas, wo sie in einigen Regionen die artenreichste Pflanzenfamilie bilden. Die phylogenetischen Beziehungen innerhalb der Lorbeergewächse sind noch nicht gut geklärt, es deutet sich aber an, dass der Kalifornische Berglorbeer ein Vorfahre der Linie ist, aus der unser Europäischer Lorbeer hervorgegangen ist.
Nur einige wenige Arten der Lorbeergewächse reichen bis in die gemäßigte Klimazone der Nordhemisphäre und können somit bei uns im Freiland sicher kultiviert werden. Das sind vor allem der aus dem Osten Nordamerikas stammende Wohlriechende Fieberstrauch (Lindera benzoin) und sein ostasiatisches Pendant Lindera obtusiloba sowie der ebenfalls aus dem Osten Nordamerikas stammende Seidige Fenchelholzbaum (Sassafras albidum). Diese drei Arten sind sommergrün, jetzt im Winter also nicht so interessant. Sie können im Freiland des Botanischen Gartens aber auch noch ein paar weitere immergrüne Lorbeergewächse aus der Avocado-Gattung Persea und aus der Zimt-Gattung Cinnamomum sehen. Bei diesen erst in jüngster Zeit gepflanzten Arten muss sich aber noch zeigen, ob sie ausreichend winterhart sind. Durch die zunehmend milderen Winter könnte das bereits der Fall sein.
Aber noch einmal zurück zum Kalifornischen Berglorbeer. Er hat jetzt kurz vor Weihnachten bereits gut erkennbare Blütenknospen (Foto oben), die sich in milden Wintern schon ab Februar öffnen können. Bleibt es lange kalt, blüht er erst im April (Foto unten). Die Blüten sind dann zwittrig (bei unserem Europäischen Lorbeer sind sie eingeschlechtlich) und haben wie bei den meisten Lorbeergewächsen einen dreizähligen Aufbau. Die Blütenhülle besteht aus sechs grünlichgelben Tepalen, was zwei Kreisen aus je drei Blütenblättern entspricht. Es folgen dann sechs äußere Staubblätter, deren Pollensäcke auf der Innenseite liegen, und dann noch ein weiterer Kreis aus drei Staubblättern, deren Pollensäcke auf der Außenseite liegen. Insgesamt also neun Staubblätter. Die drei inneren Staubblätter haben am Grunde je zwei große orangefarbene Drüsen, die Nektar produzieren und Bestäuber anlocken, wenn die Staubbeutel sich öffnen. Ganz im Zentrum der Blüte befindet sich der Fruchtknoten mit der Narbe, davor noch drei reduzierte, sterile Staubblätter (Staminodien), die hier auf dem Foto nicht zu sehen sind. Insgesamt also ein recht komplexer Blütenaufbau. Bei geglückter Befruchtung entwickeln sich zum Herbst aus dem Fruchtknoten eine bräunlich-violette Steinfrucht. Bisher war das im Botanischen Garten zwar noch nicht der Fall, aber ab einem Alter von 30 bis 40 Jahre kann man damit rechnen.
Die interessanten Blütenmerkmale können Sie jetzt im Winter leider nicht beobachten. Sie müssen sich mit den Blättern begnügen. Diese haben im Unterschied zu unserem Europäischen Lorbeer keinen gewellten, sondern einen völlig glatten Rand. Zudem ist ihr Aroma sehr viel intensiver als bei unserem Europäischen Lorbeer und hat eine starke Kampfernote. Das mögen nicht alle. Im Prinzip kann man auch den Berglorbeer als Gewürz nutzen, man muss dann aber viel sparsamer dosieren. Wobei viele Menschen bereits nach intensivem Riechen an den zerrieben Blättern über Kopfschmerzen und Niesreiz klagen.
Bleiben wir also besser beim Europäischen Lorbeer, der übrigens auch im Glühwein überzeugen soll. Das ist dann vielleicht doch noch eine Empfehlung, die über den schlichten Weihnachtsspaziergang hinausgeht. Und für alle, die sich gerade danach sehnen, den Kalifornischen Berglorbeer in seiner Heimat zu besuchen, gibt es ja noch California dreamin' / On such a winter's day ...*
Literatur
Harrlow, W.H., E.S. Harrar & F.M. White (1979). Textbook of Dendrology. Covering the important forest trees of the United States and Canada. 6th edition. McGraw-Hill Book Company.
Peattie, D.C. (2007). A natural history of North American Trees (reprint from 1950 and 1953). Trinity University Press. San Antonia, Texas.
Penagos Zuluaga, J.C., H. van der Werff, B. Park, D.A.R. Eaton, L.S. Comita, S.A. Queenborough &
M.J. Donoghue (2021). Resolved phylogenetic relationships in the Ocotea complex (Supraocotea) facilitate phylogenetic classification and studies of character evolution. American J. of Botany 108(4): 664–679.
Rohwer, J.G. (1993). Lauraceae. In: Kubitzki, K., J.G. Rohwer & V. Bittrich (eds.) The families and genera of vascular plants. Vol. II: 366-391. Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York.
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Den Kalifornischen Berglorbeer im Botanischen Garten finden
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Text und Fotos: Ralf Omlor | 20.12.2021
*The Mamas & The Papas, 1965