Die drei großen Säulenkakteen Saguaro, Argentinischer Saguaro und Mexikanischer Cardón (v.l.)
Die beiden neuen Gewächshäuser für Wüstenpflanzen im Botanischen Garten der JGU haben in dieser Woche einen spektakulären Neuzugang erhalten. Völlig überraschend konnten wir einen 2,5 m großen Saguaro-Kaktus (Carnegiea gigantea) aus eine Privatsammlung übernehmen. Das ist äußerst ungewöhnlich. Der Saguaro ist die markanteste Pflanze der Sonora-Wüste im Südwesten Nordamerikas. Jeder kennt diesen ikonischen Riesenkaktus mit seinen bizarren, aufwärts gebogenen Armen, der mehr als zehn Meter hoch werden kann. Wenn man Leute bittet, einen Kaktus zu zeichnen, werden die allermeisten wohl die Silhouette eines Saguaros skizzieren.
Dabei kriegt man ihn in Europa praktisch nicht zu Gesicht. Nur sehr wenige Botanischen Gärten haben überhaupt einen Saguaro, und wenn, ist er meist sehr klein. Auch unser bisheriges Exemplar - obwohl schon zwanzig Jahre alt – ist nur etwa 16 cm groß. Er wächst in den ersten beiden Jahrzehnten nur sehr langsam, und in Kultur kommt er oft überhaupt nicht in Schwung. Große Exemplare aus der Natur sind zudem streng geschützt und dürfen nicht gehandelt werden. Sie würden das Verpflanzen aber auch kaum überstehen.
Dennoch, wenn man die Gelegenheit hat, ein neues Kakteen-Gewächshaus zu gestalten, ist der erste Wunsch, einen großen Saguaro zu pflanzen. Das war auch bei uns so. Doch diesen Wunsch kann man sich schnell abschminken. Ein großer Saguaro ist nicht zu bekommen. Wir waren daher sehr skeptisch, als uns vor etwa drei Wochen die Anfrage eines Kakteenliebhabers erreichte, ob wir einen 2,5 m hohen Saguaro übernehmen möchten.
Dazu muss man wissen, dass uns im Botanischen Garten immer wieder Pflanzen angeboten werden, die für die Wohnung zu groß geworden sind. Für die Besitzer sind es zu Recht große Schätze, die sie oft Jahrzehnte gegossen und gepflegt haben. Aber meist handelt es sich dabei um gewöhnliche Arten, die für einen Botanischen Garten nicht interessant sind. Die allermeisten Pflanzenspenden lehnen wir freundlich ab. In diesem Fall zeigten die Fotos aber einen wirklich ungewöhnlich großen und dicken Kaktus. Aber konnte das wirklich ein Saguaro sein? Wie soll das möglich sein?
Es ist nicht ganz einfach, einen Saguaro ohne Blüten und Seitenarme, nur anhand der Gruppen von Dornen, die sich auf seinen Rippen aneinanderreihen, sicher zu bestimmen. Aber in diesem Fall deuteten alle erkennbaren Merkmale auf einen echten Saguaro hin. Auf Nachfrage erhielten wir die Information, dass der Kaktus in den 1980er Jahren von einem Vorbesitzer aus Samen gezogen und vier Jahrzehnte lang kultiviert worden war. In 45 Jahren kann ein Saguaro in der Natur tatsächlich so groß werden. Aber als Topfpflanze? Nie davon gehört.
Egal, wenn es stimmt, ist es eine einmalige Gelegenheit. Also auf geht’s! Einen Transporter anmieten, mit großen Mengen Verpackungsutensilien und Spanngurten beladen, dazu fünf Personen, die man braucht, um einen Kaktus dieser Größe sicher zu tragen. Dann drei Stunden auf der Autobahn nach Norden. Und tatsächlich, es ist ein großer Saguaro, vielleicht sogar der größte, den man in Deutschland finden kann.
Seit Donnerstag steht er nun in unserem neuen Gewächshaus für die Wüstenpflanzen Amerikas. Zusammen mit dem großen Mexikanischen Cardón (Pachycereus pringlei) und dem Argentinischen Saguaro (Leucostele terscheckii), der in einer spektakulären Aktion aus unserem alten Gewächshaus umziehen konnte, ist er nun der Dritte im Bunde. Damit sind jetzt die drei spektakulärsten Säulenkakteen der amerikanischen Wüsten in Mainz vertreten. Wir sind gespannt, wie sie sich in den nächsten Jahren entwickeln werden. Der Saguaro ist groß genug, um schon bald erstmals blühen zu können. Aber auf einen ersten Seitenarm wird man noch warten müssen. Der wird in der Natur erst in einem Alter von 60 bis 75 Jahren gebildet. Dann ist der Saguaro durchschnittlich etwa 5 m hoch. Seine volle Größe erreicht er nach etwa 150 Jahren. Aber so lange sollten Sie nicht warten, ihn sich anzuschauen.
Text und Fotos: Ralf Omlor | 11.07.2025